Samstag, 2. Juli 2016

REZENSION "Rescue me - Erlöst" von April Nicolai






Ist Liebe stärker als Wahnsinn? 

Kaja ist verzweifelt. Die krankhafte Liebe eines Stalkers macht ihr das Leben zur Hölle. Die Situation eskaliert, als der Stalker einen Autounfall provoziert, bei dem ihr bester Freund stirbt. Um sich selbst und die Menschen in ihrem Umfeld zu schützen, flüchtet Kaja ans andere Ende Deutschlands. Doch ihr neuer Vorsatz, niemandem zu vertrauen, gerät ins Wanken, als sie Noah begegnet. Wie ein Blitz trifft sie die Aufmerksamkeit des gut aussehenden Selbstverteidigungslehrers mitten ins Herz. Gerade als sie beginnt, Noah zu vertrauen, spürt ihr Stalker sie wieder auf. Kaja ist sich sicher: Er wird ihre Liebe zu Noah nicht akzeptieren. Verzweifelt versucht sie Noah zu schützen...




Seitenanzahl: 300
Preis: 4,99 EUR [E] ; 12,99 EUR [P]



Die Zweisamkeit des Pärchens ist fast schon greifbar. Ein toller Blickfang, welcher die Protagonisten fokussiert und dennoch aufgrund des Nebelschwaden durchzogenen Hintergrunds, die Komponente des Ungewissen beinhaltet. Wer zieht im Hintergrund die Fäden und wie nah ist John Doe?



Ein Schritt zum Neustart war für Kaja, den Begriff "Schatten", "Stalker" oder "Unbekannter" einen Namen zu geben, da diese Beschreibung in ihr eine unterschwellige Angst verströmt, welche ihr immer das Gefühl vermittelt, im Dunkeln zu liegen, sodass der Mann der ihr einen wichtigen Teil ihrer Selbst und ihrer Freiheit genommen hat, nun dem Namen John Doe trägt. 

Dass Liebe angreifbar und verletzlich macht, musste Kaja am eigenen Leib erfahren. Sie ist zur Zielscheibe geworden, sodass sie ihr altes Leben hinter sich gelassen hat und als Alice einen Neuanfang starten möchte. Nachdem versprechen John Does lebt Alice in Angst, hat vergessen wie es ist zu leben. Doch gleich zu Beginn ihres Studiums bringt Noah all ihre eisernen Vorsätze ins Wanken.

>>Hast du Erschrecken als Hauptfach gewählt, oder was?<< [...] >>Das sollte ich wohl eher dich fragen. Immer, wenn ich dich sehe, landest du auf dem Hintern. Drei Mal in Folge. Bin ich wirklich so umwerfend?<<

Sich aus Angst vor etwas abzukapseln, habe ich nie als eine wirkliche Möglichkeit betrachtet, doch in Anbetracht der Umstände, dass Kaja noch nicht einmal weiß, wer hinter den Briefen, SMS und anderen Zeichen steckt, spielt natürlich auch die Frage eine Rolle: Wie kann ich jemand anderen vor der Gefahr schützen, wenn ich die Person selbst noch nicht mal erkennen würde, wenn ich ihr über den Weg laufe? Daher ist es für mich verständlich, dass sie sich abgeschottet und damit so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten möchte. Allerdings ist es in einer solchen Zeit auch schön, wenn man abgelenkt wird und wenn man sich auf jemanden verlassen kann. All das wird Noah für sie und die wachsenden Gefühle sind nicht mehr aufzuhalten. 

>>Siehst du, der Abend hat dir schon etwas gebracht.<< Ich legte die Hand auf die Türklinke hinter meinem Rücken. >>Ach ja, was denn?<< Er schloss das Visier und das Letzte, was ich hörte, war ein dumpfes: >>Du hast mir vertraut.<<

Ihre Verbindung zueinander ist jedoch beidseitig auf einem instabilen Konstrukt aufgebaut, denn während Alice ihre wahre Identität geheim hält, ist es auch Noah der seine Vergangenheit unter Verschluss halten möchte. Was ich ihr sehr hoch anrechne und an ihr bewundere ist, dass sie sich ihre Fehler selbst immer wieder vor Augen führt, als sie merkt, das Noah ihr etwas Verheimlicht. Gerne hätte sie Antworten auf all die Fragen, die die ungewöhnlichen Ereignisse in ihr aufwerfen. Ihr ist aber auch klar, dass sie keine Antworten verlangen kann, wenn sie selbst nicht in der Lage ist, ehrlich zu sein. 

Das Mysterium um Noah wird immer größer, aufgefangene Satzfetzen bringen den Club Abyss mit ins Spiel, ein Abgrund, der einen nicht so schnell aus seinen Fängen entlässt und am Ende muss Alice feststellen, John Doe und Noah haben doch etwas gemeinsam. Sie haben beide kein Gesicht, sind beide fremd und namenlos.

>>Ich lass dich nicht fallen. Versprochen.<<

Mit ihrem Journalismus-Studium lernt Alice Julie kennen, die mit ihrer quirligen Art oft für Unterhaltung sorgt. Auch sie hat einen Menschen verloren, der ihr alles bedeutet und seinen Verlust nie überwunden hat. Durch Julie und Noah kehrt Alice Stück für Stück ins Leben zurück, doch dies findet ein jähes Ende, als John Doe wieder ihre Fährt aufgenommen hat.

>>Hey<<, protestierte der und versuchte, seine Frisur zu retten, >>soll ich etwa aussehen wie ein Zombie, der mit einer Steckdose geknutscht hat?<< Ich legte den Kopf schief. >>Hm, können Zombies mit Neigung zum Steckdosenknutschen überhaupt klettern?<< Augenrollend formte Shorty einen Kussmund. >>Können wir gerne testen.<<

Wer fällt ihm diesmal zum Opfer und wird Kaja herausfinden, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt? Ihre Angst wandelt sich zu Wut und in ihr stecken gleich zwei Frauen, die sich für die Wunden der letzten Monate revanchieren wollen. Kaja und Alice.

Kaja und Noah, beide wollen den anderen vor ihrer Vergangenheit beschützen. Werden sie sich einander öffnen und sich gegenseitig helfen können? Schafft es Noah den Platz von Kajas Erinnerungsstück, dem Glasherz einzunehmen?



Kaja (Alice) ist seit ihrem Unfall Einzelgängerin, die keine Bindung eingehen möchte, weder freundschaftlicher Natur, noch eine Beziehung. Niemand soll ihr Vertrauen, denn sie weiß, dass alles was sie erzählen würde, eine Lüge wäre, ebenso wie ihr Dasein als Alice eine Lüge ist. Doch was macht der Verstand, wenn das Herz die größeren Argumente hat?

Noah verspürt seit seiner ersten Begegnung mit Alice den Drang, sie vor allen Schatten dieser Welt zu beschützen. Doch kann er sie beschützen, wenn er nicht einmal weiß, wer sie wirklich ist, geschweige denn, welche Gefahr ihr droht, wenn sie selbst noch nicht einmal weiß, wer Freund und wer Feind ist? Damals hat er gelernt, dass er sich holen muss, was er haben will, wenn nötig auch mit Fäusten. Doch welchen Weg wird Noah einschlagen, wenn Gewalt das einfachste Mittel zum Zweck scheint?



April Nicolai hat mich in eine spannende Welt entführt, die ich nur zu gerne verfolgt habe. Mit Kaja zeigt uns die Autorin, dass man sich zwar äußerlich Wandeln kann, im inneren jedoch immer man selbst bleibt. Auch die Konstellation mit Noahs dunkler Vergangenheit hat mir sehr gut gefallen, denn obwohl wir Kajas Geheimnis kennen ist es Noah, der nur auf die Alice blicken kann, die sie zu zeigen bereit ist, genauso wie wir nur den Noah kennen lernen, der er jetzt ist. 

Ebenso Kleinigkeiten, sind von der Autorin sehr gut ausgeklügelt. Snake & Viper - zwei Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten ein Teil einer speziellen Gemeinschaft sind und dennoch miteinander konkurrieren. Zwei Menschen mit unterschiedlichen Zielen und nur einer, der seinen Meister erkennt, wenn dieser vor ihm steht. 

Sowohl die Konstellation der Charaktere, als auch ihre Zeichnung haben mir im Kontext sehr gut gefallen. Viele Persönlichkeiten erhalten hier Einzug und sorgen für spannende Lesestunden. Auch wenn es einige Zeit gebraucht hat, bis ich mit Finja - einer Freundin Noahs - warm geworden bin, so kann ich die Beweggründe ihres Handelns vollkommen nachvollziehen. Sie kennt Noah schon viele Jahre, hat ihn in seinen dunkelsten Zeiten erlebt und versucht alles, um ihn nicht wieder zu verlieren. Sie hat Zusammenhänge geknüpft, wo keine waren und hat dementsprechend agiert. Auch wenn Alice dadurch zusätzlichem Druck ausgesetzt war, so hat Finja nur zum Schutz eines anderen gehandelt und das auf eine Weise, die durchaus verständlich war, denn Worte können ebenso starke Waffen sein, wie Taten.

Des Rätsels Lösung hat mich zwar erstaunt, dennoch finde ich wurden dem Ende dadurch zu viele Möglichkeiten genommen. Denn der ganze Spannungsaufbau hat mich auf ein Ziel zu fiebern lassen, bei dem die Weichen zum Schluss verschoben werden und wir auf viele Fragen - die zumindest mir im Kopf herumgeschwirrt sind - keine Antworten erhalten. 

Ein kleiner Kritikpunkt einer rückblickend dennoch abenteuerlichen Reise, die viele tolle Charaktere hervorbringt und einmal mehr zeigt, nicht alles ist immer so, wie es den Anschein hat.





Zur Autorin:

April Nicolai wurde 1990 geboren und stellte schon in ihrer Kindheit fest, dass Geschichten der Stoff sind, aus dem Träume gemacht werden. 
Schon im Alter von sieben Jahren beschloss sie, selbst Teil dieser Traumfabrik zu werden. Während ihres Studiums der Germanistik und Internationalen Literaturen nahm sie an Seminaren zum Storytelling und Kreativen Schreiben teil. Seither schreibt sie Romane für Jugendliche und junge Erwachsene.



Danke!




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