Sonntag, 21. Februar 2016

REZENSION "Every Kiss: Herz zu verlieren" von Christina Lee




Die zwanzigjährige Studentin Avery Michaels will mit Dates und festen Beziehungen nichts zu tun haben. Niemals wird sie – wie ihre Mutter – ihr Glück von einem Mann abhängig machen. Als sie auf einer Party den super heißen Tattoo-Künstler Bennett kennenlernt, will sie ihn – für eine Nacht. Doch Bennett lässt sie abblitzen. Er ist auf der Suche nach der großen Liebe, und er will mehr als nur ein Abenteuer für Avery sein. Als die beiden sich wider Erwarten immer näherkommen, erkennt Avery: Sie muss Bennett gehen lassen – oder ihm endlich ihr Herz öffnen.

Seitenanzahl: 317
Preis: 8,99 EUR
Verlag: Blanvalet




Cover:

Nachdem ich dieses Cover gesehen habe, wusste ich, dass ich diese Geschichte lesen muss. Das in Sepia-Farben gehüllte Pärchen strahlt Sinnlichkeit und Zuneigung aus. Während die Frau den Mann unsicher mit den Fingerspitzen am Hals berührt, symbolisieren die haltenden Hände des Mannes Bestimmtheit und etwas Beschützendes. 


Meinung:

Avery und Bennett entpuppen sich schon direkt zum Anfang als eher außergewöhnliche Charaktere, denn sie tauschen die üblichen Rollen von Mann und Frau. Bennett ist bodenständig, kümmert sich um seine Familie, lässt sich jedoch trotz der dort herrschenden Probleme nicht seiner Freiheit berauben. Er geht seinen Weg und hat aus den Fehlern anderer gelernt, was er sich für sein Leben erhofft. Avery ähnelt im lediglich in der Hinsicht, dass sie ebenfalls auf eigenen Beinen steht, doch da hören die Parallelen auch schon auf. Ihre Erfahrungen haben sie soweit geprägt, dass eine feste Bindung für sie nicht in Frage kommt. Körperliche Nähe sucht sie zuhauf, allerdings nur unter ihren Bedingungen und auch nur auf bestimmte Zeit ohne Verpflichtungen.

Er erklärte mir gerade durch die Blume, dass er genau wusste, wie sehr ich es an dem Abend auf ihn abgesehen hatte. Und das passte mir überhaupt nicht. Ich lief den Männern nicht hinterher. Sie liefen mir hinterher.

Ella und Avery haben eine besondere Verbindung zueinander, denn sie haben sich gegenseitig durch eine schwere Zeit geholfen. Ella kennt ihre Freundin - neben Averys Bruder Adam - wie kaum ein anderer. Doch genau das ist für die Pflegerin ein Problem, denn als scharfsichtige Psychologiestudentin analysiert sie Averys Verhalten und hadert nicht ihr dieses auch vor Augen zu führen.

Vielleicht war ich das Mädchen, das seine Ideale und Überzeugungen ins Wanken brachte. Und mit dieser Erkenntnis musste ich verschwinden. Und zwar schnell.

Zuzulassen, dass jemand einen kennen lernt, bedeutet sich zu offenbaren und jemanden in sein Herz zu lassen, ein Schritt, zudem Avery nicht bereit ist. Sie möchte ihr Herz schützen, den im Alter von zwölf Jahren wurde es durch Tim verletzt und durch das fehlende Vertrauen ihrer Mutter in Stücke gerissen. Doch wie kann sie Bennet aus ihrem Herzen halten, wenn er sich schon längst hineingeschlichen hat?

>>Lass ihn in dein Herz, nicht in dein Bett!<<

Trotz ihrer Vorsätze, die Avery vehement zu schützen versucht, ist Bennett eine ganz andere Sorte Mann, als sie sie bisher kennen gelernt hat, sodass ihre Absichten ihm gegenüber ins Wanken geraten und sie Gefahr läuft, jemandem mehr Gefühle zu Teil werden zu lassen, als sie es die Jahre über, nach dem Vorfall mit Tim, gehalten hat. Sie belügt sich selber, redet sich diese Lüge wie ein Mantra ein, bis sie sie beinahe schon selber glaubt. Damals war sie auf sich alleine gestellt und hat einen mutigen Schritt gewagt und wenn sie schon damals eine solche Stärke besessen hat, besitzt sie sie heute alle Male. Man darf sein Leben nicht von schlimmen Momenten abhängig machen. Weder von einem, noch von einer Vielzahl. Schlimme Erfahrungen prägen uns, doch nur wenn wir ihnen ermöglichen, einen Fuß zwischen die Tür zu bekommen, geben wir ihnen die Macht uns das Glück des Lebens zu verwehren. Avery hat dies über Jahre zugelassen und hat die Unterstützung und den Beistand ihrer Mutter versagt bekommen. Nur ihrem Bruder zu liebe, ist sie nicht über den Rand der Klippe, hinab in vollkommene Dunkelheit getreten.

>>Soll ich dir nochmal ein Wort leihen?<<


Bennett ist ein Künstler, der seiner kreativen Ader anhand von Zeichnungen Ausdruck verleiht und Bilder mit symbolischem Wert als Tattoo bei anderen verewigt. Eins seiner Werke zeigt, dass er Avery schon anfänglich sehr gut einschätzen konnte. Er weiß, dass sie viel belastet und dieser Ballast dazu beiträgt, dass sie sich von der Außenwelt abschottet oder viel mehr, dass sie durch ihre Vergangenheit in diese Distanz gezwungen wird. Am Ende wartet ein Lichtblick auf sie, doch um diesen zu erreichen, muss sie den Weg durch das Chaos wagen. 

>> [...] Die Sanduhr gefriert in Zeiten des Leids und verrinnt in Zeiten des Glücks.<< 

Sowohl Bennett als auch Avery haben gelernt, dass es eine ungesunde, alles verzehrende Liebe gibt, bei der man sich für den anderen Menschen aufgibt. Bennett hingegen kennt noch eine zweit Art von Liebe, die er Avery vor Augen führen möchte - die befreiende Liebe, die es einem erlaubt, das Beste aus sich herauszuholen, mit der anderen Person zu verschmelzen, ohne sich selbst dabei aufzugeben.

Avery verteidigt ihr Herz ohne sich über Bennetts Gedanken zu machen. Wird sie den Schritt wagen, ihm auf einer für sie, neuen Ebene zu vertrauen und sich ihm gegenüber zu öffnen? Dafür muss sie mit ihrer Vergangenheit abschließen, doch diese hat noch längst nicht mir ihr abgeschlossen.


Charaktere:

Avery ist resolut, willensstark und nicht auf den Mund gefallen. Sie will immer die Kontrolle behalten, ist ihr eigener Herr und das verträgt sich ihrer Ansicht nicht mit einer Beziehung. Das Tattoo hinter ihrem Ohr ist ein keltisches Symbol, welches für "Überleben" steht und stammt aus einer Zeit in der sie hatte stark sein müssen. Eine Zeit, in der sie sich geschworen hat, nie wieder Schwäche zu zeigen.

Bennett ist wie seine Kunst, vielseitig, bodenständig und beeindruckend. Er ist einfühlsam und vermag es in die Menschen hineinzuschauen. Er nimmt Avery und ihre Ängste ernst, hilft ihr, ohne dass sie um Hilfe bitten muss und verlangt zu keinem Zeitpunkt eine Gegenleistung. 


Schreibstil:

Christina Lee hat ihren Protagonisten eher ungewöhnliche Merkmale zuteil werden lassen, die es mir anfänglich zwar erschwert haben mit ihnen warm zu werden, mich im Nachhinein aber umso mehr beeindruckt haben. Losgelöst von Geschichten des gleichen Genres, erleben wir hier eine erfrischende Neuerung. 

Die Nebencharaktere haben mir in ihrer Zeichnung sehr gut gefallen, insbesondere Mrs. Jackson, die Avery mit ihrer herzlichen Art wertvolle Tipps gegeben und ihr dabei trotzdem den nötigen Freiraum gelassen hat über diese nachzudenken. Ella war da etwas forscher und hat an den richtigen Stellen Druck ausgeübt, auch dieser quirlige Charakter ist mir schnell ans Herz gewachsen.

Ebenso die künstlerischen Aspekte in Form von Bildern, Zitaten und Tattoos haben der Geschichte auf einer besonderen Ebene Gefühle und Emotionen verliehen, denn die ersten Weichen von Averys und Bennetts Verbindung sind durch diese gelegt worden.

Das Geschehen erleben wir ausschließlich aus Averys Perspektive, wodurch wir ihre Gefühls- und Gedankenwelt vollumfänglich miterleben. Bennetts Blickwinkel hätte ich mir jedoch an manchen Stellen auch gewünscht, denn auch wenn sein Verhalten oftmals nachvollziehbar war, waren manche seiner Handlungen er undurchsichtig. 

Sehr schön herauskristallisiert hat die Autorin, dass Gleichgültigkeit mehr verletzen kann als Zorn, das unsere Familie nicht bestimmt, wer wir sind und was wir aus uns machen und das Angst die Kehrseite der Liebe ist.

Eine tolle Geschichte, mit spannenden Handlungen und unerwarteten Wendungen. Ich hoffe bald mehr von der Autorin lesen zu können =)


Bewertung:




Zur Autorin:

Christina Lee glaubt an die wahre Liebe und ist süchtig nach Lipgloss und gesalzenem Karamell. Sie leitet außerdem ihr eigenes Juweliergeschäft. "Every Kiss – Herz zu verlieren" ist ihr erster Roman. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn im Mittleren Westen der USA.



Danke!









Original Titel:
All of You: Between Breaths

Original Cover

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